Reden = Kontakt?

Kennst du das, wenn du dich schon nach einem kurzen Gespräch ausgelaugt, erschöpft oder wütend fühlst? Kennst du es auch, wenn dich ein Gespräch wie belebt und du dich danach wach und freudig fühlst?

Häufig wird Kommunikation gleichgesetzt mit Kontakt: „Wir haben geredet, also haben wir uns miteinander verbunden.“. Blickt man von außen darauf, sehen sie sich tatsächlich sehr ähnlich. In beiden Fällen werden Worte ausgetauscht. Wenn du zu den Menschen gehörst, die beide der eingangs gestellten Fragen mit „Ja!“ beantwortet haben, dann weißt du: dem ist nicht immer so.

Der Unterschied ist fühlbar.

„Echter Kontakt“ meint einen Kontakt, der das Bedürfnis nach Verbundenheit nährt, nach emotionaler Nähe, gesehen und gehört werden. Sind unsere Bedürfnisse genährt, fühlen wir uns wohl. Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, spricht in diesem Zusammenhang vom „Herz-zu-Herz-Kontakt“, während „reden“ auch einfach nebeneinanderher oder aneinander vorbei verlaufen kann, ohne dass sich wirklich etwas zwischen den Beteiligten „berührt“. Da Verbindung bei uns Säugetieren jedoch ein zentrales Bedürfnis ist, fühlt sich Reden ohne emotionales „Berühren“ unangenehm bis schmerzhaft an.

Was aber verbindet uns? Dazu hat sich Marshall Rosenberg einige Gedanken gemacht. Das Ergebnis ist seine Gewaltfreien Kommunikation. Er verwendete zur Verdeutlichung der Unterschiedlichkeit der Kommunikationsmuster die Tiersymbole Giraffe (größtes Herz) und Wolf.

Wenn Worte uns verbinden.

Die Giraffe – sie ist das Landtier mit dem größten Herzen und überblickt alles – steht symbolhaft für eine Herz-zu-Herz-Verbindung. Sie spricht die Giraffensprache, ist im Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen und versucht die Bedürfnisse und Gefühle des anderen herauszufinden, um so eine Verbindung herzustellen. Genauer gesagt definierte Rosenberg die Giraffensprache über 4 Schritte:

  1. Beobachtung
  2. Gefühle
  3. Bedürfnisse
  4. Bitte

Drücken wir uns so aus, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass unser Gegenüber verstehen kann, um was es uns geht.

Wenn Worte uns trennen.

Die Wolfssprache, in Gegensatz dazu, ist geprägt von Interpretationen, Analysen und Bewertungen nach den Kategorien „richtig“ und „falsch“ oder „gut“ und „schlecht“. Auch wird das für ihn negative Verhalten direkt mit der Person verknüpft: aus „das ist schlecht für mich“ wird schnell „du bist schlecht!“ oder „du hast etwas falsch gemacht“ oder „ich habe etwas falsch gemacht“. Leider führt diese Denkweise dazu, sich über andere zu ärgern oder sich selbst schuldig zu fühlen oder sich zu schämen. Es kann zu Konflikten, Angriffen, Verteidigungen, Be- und Entschuldigungen kommen – sehr selten aber zu Verständnis und Kontakt zu sich selbst und anderen.

Ein Beispiel *

WolfsspracheGiraffensprache
„Du warst heute wieder zu faul, den Teddy in die Kiste zu räumen.“ (Bewertung)„Der Teddy liegt auf dem Boden.“ (Wahrnehmung)
„Ich fühle mich nicht Ernst genommen!“ (Interpretation)„Ich bin verwundert, …“ (Gefühl)
„Nie hältst du dich an die Regeln hier.“ (Kritik)„… weil mir wichtig ist, dass Abmachungen einge-halten werden.“ (Bedürfnis)
„Lege jetzt gefälligst den Teddy in die richtige Kiste, sonst darfst du morgen nicht mehr damit spielen.“ (Forderung und Strafandrohung)„Kannst du mir sagen, was dich davon abgehalten hat, den Teddy wegzuräumen?“ (Bitte)

Wie kooperativ wird sich mein Gegenüber nach dem jeweiligen Dialog verhalten?

Haltung machts möglich.

Wesentlich ist, dass die Gewaltfreie Kommunikation nicht nur eine Methode oder ein Modell ist, sondern vor allem eine Haltung, die unser Verhältnis zu uns selbst und zu anderen prägt. Das bedeutet: Neben den Worten, die wir wählen, ist auch die Motivation entscheidend, aus der heraus wir diese Worte sagen – die Haltung. Anders ausgedrückt, geht es bei Haltung darum, wie wir über etwas denken. In diesem Zusammenhang, wie wir über uns selbst, unser Gegenüber und den Kontakt zu anderen denken. Denn unsere Denkweise beeinflusst maßgeblich, wie wir uns verhalten und wie wir uns ausdrücken.

Auch hier ein Beispiel *

WolfsspracheGiraffensprache
Grundhaltung:
Ich denke, dass mit dir oder mit mir etwas nicht stimmt ist und dass einer von uns besser oder schlechter ist!Ich denke, dass jeder Mensch jederzeit das Schönste und Beste gibt, das ihm/ihr in diesem Moment zur Verfügung steht, um seine/ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Daher frage ich mich: was brauchst du und was brauche ich im Moment?
Daraus folgt…
Belohnung, Bestrafung, Befehle, Predigten, Urteile, Analysen, Kritik, Interpretationen, Forderungen, Schuldzuweisung und Entschuldigungen, Angriff und Verteidigung.   Man weiß, was mit dem anderen nicht stimmt: „Du bist klug, kollegial, faul, blöd, aggressiv, richtig oder falsch …“Verständnis, Kontakt, gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung, Zuhören und gehört werden, Verantwortung für sein eigenes Tun.

Man hört, wie sich der andere fühlt und was er braucht: „Bist du …[Gefühl] weil du … brauchst?“

Fazit:

Meine Haltung zu Menschen und Kontakt prägt mein Verhalten im Miteinander.
Sie beeinflusst, wie ich auf andere zugehe, wie ich mit ihnen spreche und wie ich mich ausdrücke.
Meine Art der Kommunikation bestimmt mit, ob ich verstanden werde – und ob ich mich verständlich machen kann.
Davon hängt ab, ob echte Verbundenheit entsteht.
All diese Faktoren beeinflussen, wie ich Kontakt erlebe: als nährend oder als auslaugend.
Das zeigt, dass ich Kontakt bewusst gestalten kann – und darin liegt die Chance auf mehr Echtheit, Nähe und Verbindung.

Impulse zur Selbstreflexion:

  • Wie fühlt sich echter Kontakt, d.h. Verbundenheit, an?
  • Wie sehr bin ich mir über meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse bewusst? Spreche ich sie aus? Wenn nicht: was hindert mich daran? was würde mich dabei unterstützen?
  • Wie gehe ich mit den Bedürfnissen meiner Kindergartenkinder/Schüler*innen um? Kann ich sie hören? Da sein lassen? Bin ich verantwortlich?

* Mit Dank an Frank Gaschler